Eine Auswahl meiner GEDICHTE

Für die ersten Gedichte kann ich nur ungefähre Daten nennen, weil ich anfangs keine genauen Aufzeichnungen machte. 1989 begann ich mit Gedichten und Prosatexten. Ich schreibe immer noch, aber durch meine Berufstätigkeit gab es Zeiten, in denen es nicht stattfand.

 Der alte Mann
Ich fahr mit ihm
Ein kleines Stück.
2 x 10 Minuten U-Bahn
in der Woche.
Wenn ich kann!
Ist es wenig?
Ist es viel?
Ein freundliches Wort!
Ein Händedruck!
Seine Nichte, sagt er,
ruft nur an.
Wer kümmert sich
um diesen alten Mann?
© SONjA ~ ca. 1990


Leben beginnt jeden Tag
Sag nicht, es wär alles so sinnlos
in dieser Zeit der Kälte, der Zerstörung.
Sieh, die einsame Rosenknospe
in meinem Garten erblüht,
trotz all des Frostes, der Kälte.
Leben beginnt jeden Tag,
entfaltet sich langsam wie die Knospe,
öffnet vorsichtig die zarten Blütenblätter,
traut sich, leuchtet stark in all dem Grau,
in dieser Zeit der Kälte, der Zerstörung.
Leben beginnt jeden Tag.
© SONjA ~ 1991


Disteln in den Wolken
Wo Disteln sich in den Wolken reflektieren,
Und Monster in Seen vermutet werden,
Dort liegt mein geheimes Märchenland.

Wo stolze Burgen den Zugreisenden grüßen,
Und Mauersteine festlich glitzern,
Dort verlebte ich meine schönsten Stunden.

Wo das „Athen des Nordens“ Wärme mir gab,
und ich keinen Strand der Welt vermisste,
Dort verlor ich mein Herz an ein Land.

Wo die Disteln nicht nur auf Hügeln wachsen,
Und ich sie malte mit Farbe der Melancholie,
Dort begegnete ich dem Abenteuer „Discovery“.

Wo ich Highlands im alten VW überquerte,
Und meinen Vater 1971 vergeblich suchte,
Dort erblickte ich erstaunt mein Spiegelbild.

Wo in Mid Craigie Dad’s Haus nicht mehr existiert,
Und ich verzweifelt immer wiederkehre,
Dort entdecke ich trotz alledem Spuren.

Wo Gast an einer Gesamtschule ich war,
Und Schüler in Uniform unterrichtete,
Dort wünsche ich mir ein Lehramt für länger.

Wo in der wilden Kamille Golfbälle wir fanden,
Und du von deiner Kindheit erzähltest,
Dort möchte ich wieder Freiheit spüren.

Wo Disteln sich in den Wolken reflektieren,
Und ich die Blume von Schottland überall sehe,
Dort wird ein Traum zur Wirklichkeit.
© SONjA ~ 1998


kaleidoskop des lebens
viele bilder kannst du erspähen
im laufe deines lebens
manche leuchten noch nach jahren
in schillernden farben
andere sind schon nach stunden
von der bildfläche verschwunden
seifenblasen im sonnenschein
wollen nur kurz bewundert sein
einige bilder - die dir am beginn
unscharf erscheinen - machen später sinn
erst mit der zeit entwickeln sie konturen
wie auch immer - alle bilder
hinterlassen eindrücke und spuren
© SONjA ~ 1998


Die Efeubank
Ihre erste Urlaubswoche!
Sie verlangt nach dem Licht
Und dem Meer
Zutiefst
Wie verrückt
Traurig
Irgendwo muss der Wind sein
Sie fortzutragen
Von der einsamen Efeubank
Auf der sie sitzt
Viele Stunden
Riesige Schatten beobachtend
Schatten dunkler denn je
Dieser alten Wacholderbüsche
Die Schatten reden nicht
Wo immer du herkommst
Wind …
Bring sie nach Alba
Es ist die beste Zeit
Zum Reisen
Sie verlangt nach dem Licht
Und dem Meer
© SONjA ~ 2003


Impressionen am Sonntag
Sonntag auf dem Lande
ich wage keinen Blick
weder nach vorn noch zurück
will einfach Ruhe spüren
- Leben im Heute!

Stille über dem Heidedorf
lässt mich staunend
dem Zwitschern der Vögel lauschen
und das Herbstlaub raschelt
- Empfinde Dankbarkeit!

Silentium nun durchbrochen
weil hinter meinem Haus
ein ICE schnell wie der Blitz
Richtung Hamburg hetzt
- Ruhe vor dem Sturm!

Gehe dort ein paar Schritte
wo samtpfötige Katzen
vom längst abgeernteten Feld
zwecks Siesta beherbergt werden
- Sonntagsträume schmeicheln!

Möchte gar nicht wissen
was morgen alles lauert
Strahlt da nicht das Gesicht
auf dem Papierdrachen?
- Noch lächele ich zurück!
© SONjA ~ 2006


Tanz mit dem Wind des Sommers
Noch ist Sommer
In meinem Herzen
Fühlt es sich warm an
Leichtfüßig schwebe ich
Und lausche dem Klang
Der taufrischen Erde
Wachse mit den Bäumen
Des rauen Lebens
Entfalte mich vorsichtig
Wie eine empfindliche Blüte
Spüre schon Wandlungen
Auf dem Weg zum Herbst
© SONjA ~ 2006


Frühlingsmorgen
Es liegt Hoffnung im Frühlingsmorgen
Wenn Vögel laut um die Wette zwitschern
Als hätten sie nie Jahreszeiten gekannt
Ich drehe mich unter der Decke lauschend um
Mein Wecker kann noch so golden schimmern
Er verliert seine gewohnte Macht über mich
An arbeitsfreien Tagen und ich träume
Tagträume mich tief in ferne Jugendjahre
Möchte ich wirklich tauschen meine alternde Haut
Doch nur wenn Erfahrungen bleiben

Es liegt Hoffnung im Frühlingsmorgen
Wenn Fliederduft sich einen Weg zu mir bahnt
Lange bevor Sommerrosen ihre Knospen entfalten
Fröhliches Kreischen vom Strandbad herübertönt
Das letzte Motorengeräusch des Mähdreschers
Mir mitteilt dass die Felder abgeerntet sind
Sehr lange bevor Äste betagter Bäume krächzen
Unter der weißen schweren Last des Winters
In dem die Stille mir eine Vorahnung schickt
Und ein Frösteln über den Rücken kriecht
© SONjA ~ 2011


Unterwegs!
Auf Entdeckerpfaden den Schreien kreischender Möwen lauschen,
mag ich, wenn die fremde Stadt schläft, sich von Tagesstrapazen erholt,
hinter Werftkränen in dunstigen Hafenkneipen Gesellschaft suchen,
im Schutz der Berge unter silbernem Mondlicht die Zeit anhalten,
früh ins Hochland aufbrechen!

Kurz und vergänglich, aber doch Glück spüren im Abenteuer Reise,
salzige Meeresluft einatmen, Muskelkater von Rucksacktouren ignorieren,
während meine Gedanken noch rastlos wandern, zu Daheimgebliebenen
und zurück, müde Füße ruhen lassen, allein sein, aber niemals einsam,
mit den Eissturmvögeln unterwegs sein!

Auf bisher unbekannten Pfaden wandern, nahen Wendepunkt ahnen,
mit den Schwärmen der Zugvögel heimwärts fliegen, früher oder später,
wenn ich gesättigt bin von Impressionen und Dialogen am Waldesrand,
Duft nach wildem Thymian speichern, in Tagträume sinken dürfen,
Gedanken sind frei, nirgendwo mehr als hier!
© SONjA ~ 2012


Morgen werde ich reisen
Patina schimmert auf maroden Steinen
Der Gemäuer an windgepeitschten Küsten
Vergangener Reisen mit den Silberstreifen
In meinem schütteren Haar um die Wette
Morgen werde ich zu fernen Ufern segeln
Wieder die Spuren der Ahnen suchen
Aus smaragdgrünen Tälern verfolgen
Das heitere Wolkenspiel am Himmel
Von Hügeln über ziegelrote Dächer schauen

Erinnerungen sind manchmal Juwelen
Mit nostalgischem Glanz im Alter
Bruchstücke lassen sich nicht reparieren
Zur Vollständigkeit des Ursprungs
Dennoch verwahre ich sie behutsam
In Schmuckschatullen meiner Erinnerung
Die mich Pläne schmieden lässt
Morgen werde ich reisen
Oder doch nur im Traum
© SONjA ~ 2014


Einsame Rose
Einsame Rose am Strauch allein!
Ein Irrtum? Nein, das soll so sein.
Sie leuchtet wunderbar in unserem Vorgarten,
ihren Anblick kann ich kaum erwarten.

In dunkler Nacht sieht sie aus wie eine Laterne,
die hell strahlt herüber aus der Ferne.
Wenn eine Brise weht, schaukelt sie sanft hin und her,
bei Regenschauer tropft es von Blütenblättern tränenschwer.

Kürzlich wurde die Blüte zahlreich umschwirrt,
ich musste intensiv hinschau'n, dachte, ich hätt' mich geirrt.
Nein, ganz und gar nicht, Schmetterlinge in schillerndem Weiß
hatten sich hinzugesellt freundschaftlich und leis.
© SONjA ~ 2014


Höhenlage
Das Fenster im Holstentor hatte einen Bogen, sehr spitz!
Ich knipste drauf los, nahm aufmerksam Notiz.
Mit meiner Schulklasse habe ich das Museum besichtigt,
eine schwarz-weiß-graue Ringeltaube saß dort als Relikt.

Alle Besucher konzentrierten sich auf das Studium
der Ausstellungsstücke, auf das ganze Sammelsurium.
Stadtgeschichtliche Zeitzeugen beschäftigten uns im Frühjahr
2001, die Schüler nahmen die Taube nicht wahr.

Die Ringeltaube ihrerseits schien mir ebenfalls versunken
zu sein in den freien Blick von oben, freudetrunken.
„Was mag für sie jetzt wichtig sein?“, war meine Frage.
Sie verbringt doch alle Tage in dieser Höhenlage!
© SONjA ~ 2002





© Sonja Maria Abel, 2023